Donnerstag, 26. Juni
Es ist 6 Uhr morgens als der Wecker klingelt. Die Sonne versteckt sich noch und auch ich bin noch nicht ganz wach. In 45 Minuten werde ich bereits abgeholt, um an den Flughafen zu fahren. 3 Stunden vor Flug sollte ich am Flughafen sein, laut Boarding Ticket. Das erschien mir aber nun wirklich nicht sinnvoll und habe mich entschieden, dass auch 2 Stunden vorher reichen, immerhin ist es ein nationaler Flug.
Wie vermutet ist am Flughafen alles rund gelaufen und ich musste immer noch eine Stunde warten bis zum borden. Pünktlich sind wir dann auch gestartet, glaube ich zumindest, ich bin noch vor Abflug eingeschlafen. Als ich aufwachte war ich total verwirrt als der Pilot durchsagte, dass er bereits im Sinkflug ist. Eine Stunde lang sinken? Ich war der Meinung es sind 6 Stunden Flug.
Ankunft war eine Stunde früher als geplant - auch das gibt es anscheinend.
Der Flughafen auf den Osterinseln war wie erwartet klein. Wir stiegen sozusagen auf der Landebahn aus. Freudig wurden einige der Stewardessen von ihren Freunden, die als Flugzeug-Einweise arbeiten mit Blumenkränzen begrüsst.
Noch bevor man in die Gepäckhalle kommt kann man das Zutrittsticket für den Nationalpark kaufen. Nicht nur kann, man muss wenn man viele der bekannten Sehenswürdigkeiten besuchen will. USD 60, finde ich einen fairen Preis. Immerhin müssen sich die Parkwächter für ein Gebiet einsetzen das über 160 m2 gross ist.
Obwohl der Flieger bis auf ein paar wenige Plätze voll war, wurde das Gepäck rassig entladen und auf das Gepäckband gebracht. Mein Koffer war unter den ersten (vielleicht auch weil das Priority Label von der Iberia noch dran war ;) ) Carabinieris mit Drogensuchhunden kontrollierten das Gepäck, anscheinend gibt es das Problem auch hier.
Vor der Türe zum Flughafen warteten bereits unzählige Leute mit Schildern auf ihre Gäste. Meinen Namen konnte ich noch nicht ausfindig machen. Eine ältere Lady fragte mich wo ich hin müsste, sie würde mich mitnehmen wenn niemand kommen würde.
Aber in den nächsten 5 Minuten kam schon Katty von meinem Cabana und hat mich aufgegabelt. Geschmückt mit einem traditionellen Willkommens-Blumenkranz sind wir los.
Der Ort ist klein und auch direkt am Flughafen angrenzend. Man hätte sozusagen laufen können, jedoch sind die Strassen nicht für Koffer mit Rollen gemacht. Katty hat mit mir eine kurze Stadtrundfahrt gemacht (lange hätte sie aufgrund der Grösse sowieso nicht dauern können) und mir die wichtigsten Ecken erklärt.
Es ist Winter auf der Insel, sonnig und wolkendurchzogen, dennoch von den Temperaturen angenehm. Ich schätze 18 Grad. Der Wind könnte weniger sein. Noch am Nachmittag bin ich an der Küste entlang nach Hanga Piko gelaufen, ein kleiner Hafen auf der anderen Seite des Flughafens. Dort befinden sich die Tortuga Divers, mit denen ich bereits vor meiner Reise Kontakt aufgenommen habe für ein zwei Tauchgänge. Malena hat mich sofort freundlich begrüsst und mir schon im Vorfeld gesagt, dass es schwierig werden wird in den nächsten Tagen zu tauchen. Die Küstenwache hat eine Warnung rausgegeben. Das Meer sei zu wild, um in und unter Wasser zu gehen. Nur als Surfer hat man gerade paradiesische Verhältnisse.
Freitag, 27. Juni
Es regnet seit den frühen Morgenstunden in Strömen. Ich habe nicht sehr gut geschlafen, da die Nachbarn über mir bis 2 Uhr morgens rambazamba hatten. Die Häuser sind nicht sehr gut isoliert und man hört jeden Schritt, jedes Wort.
Ich war sogar schon so wütend, dass ich mit einer Pfanne an die Decke geschlagen habe, genützt hat es nichts.
Naja was solls, steh ich mal auf um mir einen überblick über die Sachlage zu machen. Ok, es regnet immer noch. Ich habe Malena geschrieben, und auch sie musste mir sagen, dass das mit dem Tauchen heute nichts wird.
Spontan habe ich der Halbtagestour nach Orongo zugesagt, die am Nachmittag stattfindet.
Am Mittag bereits hat sich das Wetter merklich gebessert und ich bin raus um etwas fürs Frühstück einzukaufen und mir ein nettes Lokal für einen Mittags-Snack zu suchen. An der Hauptstrasse waren verschiedene kleine Stände mit Früchten und Gemüse, teils auf Tischen, teils direkt vom Pick-up der Autos. Ich habe mir für knapp 3 Franken einen Sack voll Maracujas gekauft, die seehr lecker waren. Bei uns würdest du nie 10 Maracujas in solcher Qualität und dann noch für so ein Schnäppchen bekommen.
Auch die Empanadas, die ich am Mittag gegessen habe stehen im keinen Verhältnis zu denen, die man bei uns an den Latino-Festen serviert bekommt. Diese waren deutlich grösser, besser und günstiger. Ich hatte zwei und konnte sie nicht komplett aufessen.
Orongo:
Die Nachmittagstour in den Süden der Insel war sehr spannend. Diese Tour dreht sich vorwiegend um den berühmten Vogelmann-Kult, der sich gemäss der Sagen hier auf der Insel abgespielt haben soll. Gemäss Ethnologen soll dies der zentrale Kult auf der Insel gewesen sein. Man sagt, dass an einem bestimmten Tag im Jahr jeder Stammesherrscher der 12 Stämme auf der Insel seinen stärksten Mann los sandte um auf einem der Motus, der vorgelagerten Inseln, das erste Ei der Seeschwalbe zu holen. Klingt einfacher als es ist. Man muss zuerst von Orongo aus die steilen Klippen hinunterklettern und dann zum Moto schwimmen. Wegen der starken Brandung und der Haifische ein höchst gefährliches Unterfangen. Die Teilnehmer warteten teilweise mehrere Wochen bis eine Seeschwalbe das langersehnte Ei gelegt hatte bis sie den Rückweg antreten konnten. Der erste Häuptling der ein unversehrtes Ei überreicht bekommen hatte durfte von da an ein Jahr lang den Titel des Vogelmannes (Tangata Manu) tragen.
In Orongo gibt es 52 gut erhaltene Steinhäuser, errichtet aus flachen Steinplatten, ohne Mörtel aufeinandergeschichtet. Dort haben die Häuptlinge und ihre Familien auf die Rückkehr des Hopu, des Untergebenen gewartet.
Unser erster Stopp war die sogenannte "Menschenfresser-Höhle" (auf Rapa Nui "Ana Tai Tangata"), die Legende besagt, dass hier die Einheimischen Menschen gekocht und verspeist haben sollen. Fakt ist, dass man nie menschliche Knochen hier gefunden hat, aber die Sage hat sich über die Jahre weitergezogen. Auch gibt es anscheinend ein Buch darüber, in dem die besten Menschen-Rezepte beschrieben werden. Naja, ob es das jemals auf die Bestseller-Listen geschafft hat ist fraglich.
Weiter ging es zum Rano Kau, einem der drei Vulkane, die die Insel gebildet haben. Er ist der grösste Vulkankrater der Osterinsel und etwa 1 Million Jahre alt. Der Krater ist gefüllt mit Süsswasser, auf dem sich kleinere Inseln mit Schilf-Gras befinden. Dies wurde früher viel von den Ureinwohner genutzt, zB für den Bau von Booten oder zum Decken der Dächer.
Das Orongo-Dorf, wie oben beschrieben war der vorletzte Stopp dieser Tour bevor es zum Ahu Vinapu ging. Diese nicht restaurierte Ahu ist mir solcher Präzision erbaut worden, dass es an die Bauten der Inkas erinnert. Die grossen Steine sind perfekt gemeisselt und aneinandergebaut. Der Unterschied ist dass sie im inneren der Steine keine Verbindungen haben.
Am Abend werde ich mit deutlicher Verspätung zum traditionellen Erdofen-Essen mit Tanz abgeholt. Nur etwas ausserhalb von Hanga Roa befindet sich ein Restaurant, die dieses Spektakel anbieten. Begrüsst werden wir mir einem Pisco Sour und Folklore-Klängen. Seit 3 Stunden ist das Fleisch, Fisch und Gemüse bereits im Ofen umgeben von glühenden Steinen und gart vor sich hin. Mit einer Zeremonie werden die Bananenblätter entfernt und das fertige Menü kommt zum Vorschein. Während das Essen in die Küche gebracht wird um es für das Buffet zuzubereiten dürfen sich die Gäste noch in inseltypischen Tänzen üben.
Die anschliessende Show war faszinierend, ungewöhnlich und laut. Sie hat mich sehr an jene erinnert die ich bereits auf Hawaii gesehen habe. Sicher daher weil auch hier die Menschen von den Polynesiern abstammen. Aber es war schon sehr schön anzusehen. Natürlich war ich als eine der wenigen blonden Menschen im Publikum wieder ein willkommenes Opfer um auf der Bühne die landestypischen Bewegungen nachzuhüpfen. Ich denke graziös ist anders, aber wenn juckt es?
Samstag, 28. Juni
Noch bevor die Sonne aufgeht höre ich schon wie es zu regnen beginnt. Oh nein, denke ich. Fällt mein Tagesausflug sprichwörtlich ins Wasser? Kälte kann man ja noch aushalten, aber Regen ist nicht lustig.
Als ich dann vom Tourbus abgeholt werde, hat sich das Wetter wieder beruhigt und es kann aufgehen in einen spannenden Tag.
Es geht an der Ostküste entlang Richtung Norden. Als erstes besuchen wir zwei nicht restaurierte Ahus (Ahu Caihu und Ahu Akahanga). Hier wird deutlich, dass Kolonisten mit der Kultur der Rapa Nui nicht eins waren. Alle Moais wurden gestürzt und liegen noch heute mit dem Gesicht zur Erde.
Als nächstes ging es zum Ahu Tongariki, dem wohl bekanntesten aller Ahus und auch immer wieder gern fotografiertem. Hier stehen 15 wieder aufgerichtete und restaurierte Moais auf einem über 200m langem Ahu. Nur einer hat es nicht auf die Plattform geschafft und liegt auf dem Rücken und mit gebrochenem Hals im Gras. Vermutlich ein irreparabler Unfall. Der nächste Stopp ist einer der wichtigsten Orte der Moai-Kultur - Der Rano Raraku, ein erloschener Vulkan mit einem Kratersee. Dort befindet sich ein gigantischer Steinbruch, in dem die Moais hergestellt wurden. Hier gibt es nahezu 400 Statuen in den verschiedensten Stadien der Fertigstellung zu entdecken.
Anschliessend fahren wir zum "Te Pito o te Henua", der Nabel des Universums. Ein runder Stein dem man heilende Kräfte nachsagt. Will man hier seinen Kompass verwenden darf man sich nicht ganz darauf verlassen, der Stein ist aufgrund seines Eisengehalts magnetisch und verdreht der Nadel sozusagen den Kopf.
Den letzten Stop haben wir in Anakena gemacht, dem einzigen grösseren Sandstrand auf der Insel. Hier stehen 7 Moais, die der Königsfamilie zugesprochen werden.
Es war windig, wie schon den ganzen Tag und nur die Harten, zu denen ich nicht gehört habe, haben sich wirklich ins Wasser getraut.
Fazit, diese Tour ist absolut empfehlenswert und unbedingt auch mit einem Guide. Ich habe an diesem Tag viel über die Kultur der Rapa Nui, die Bedeutung der Ahus und Moais gelernt. Ich denke nicht, dass man das Anhand eines geschrieben Reiseführers so miterlebt hätte.
Auf der Tour hatte ich jemanden aus den USA kennengelernt, sie hat in Santiago studiert und macht nun hier des Rest ihres Chile-Aufenthaltes.
Wir sind am Abend noch zusammen essen gegangen. In das, laut tripadvisor, beste Restaurant auf der Insel. Dem "Kotara", einem japanischen Restaurant, Nahe am Flughafen. Und ganz ehrlich, es hat sich wirklich gelohnt. Wir wären vermutlich jeder alleine in ein solches Restaurant nicht gegangen, aber zu zweit hat es wirklich Spass gemacht. Der Chef ist ein exzentrisches Männchen, geboren in Santiago, der seit 6 Jahren dieses Restaurant hat. Sein englisch ist geprägt vom japanischen Dialekt da er dort studiert hat. Gerne kann man die Karte studieren und sich dort sein Menü aussuchen, es macht aber weitaus mehr Spass sich vom Chef persönlich beraten zu lassen. So bekommt man auch sicher was man sich vorstellt. Das Essen und das Ambiente waren wirklich exzellent, so hat man auch den etwas höheren Preis in Kauf genommen. Nun ja, auf der Insel muss man allgemein mit gesunden Preisen in den Restaurants rechnen.
Sonntag, 29. Juni
Die letzte Chance für einen Tauchgang, leider wird es auch heute nichts.
Ich habe somit einen Frei-Tag. Ich habe ausgeschlafen, mir Frühstück gemacht und bin raus auf einen Rundgang, immerhin hatte ich die Kirche noch nicht gesehen und ich war noch nicht am Hafen (gut gross ist der ja nicht, aber wenn schon alles so klein ist sollte es doch keine Schwierigkeit darstellen alles zu sehen).
Als ich am Meer entlang Richtung Hafen laufe sehe ich schon von Weitem wie aus dem Hafen geschmückte Boot aufs Meer fahren, ich gehe etwas schneller, möchte ja nichts verpassen. Im Hafen angekommen, sehe ich gerade noch die letzten zwei Boote rausfahren und eine Menschenmenge die das Spektakel vom Ufer aus beobachten. Welchen Sinn es hatte habe ich nicht herausgefunden, aber es war lustig anzusehen.
Ich bin dann weiter durch das Dorf geschlendert. Rauf zur Kirche, habe einige Souvenirläden angesehen. Ich habe herausgefunden, dass das Dorf doch ein paar gemeinschaftliche Einrichtungen hat - zwei Wäschereien, eine Disko, ein Kino (ich glaube hier läuft seit Jahren nur "Rapa Nui", der Film mit Kevin Costner. Vor einem der Souvenirläden habe ich dann gesehen, dass das Museum am Sonntag nur bis am Mittag und Montags gar geschlossen hat. Heute ist Sonntag, also habe ich mich auf direktem Weg dorthin auf gemacht. Ich hatte noch 45 Minuten, aber da ich nicht genau wusste wohin und auch nicht dass es doch ein Stückchen zu gehen war, musste ich schlussendlich den Rundgang im Schnelldurchlauf machen. Aber interessant war es doch.
Anschliessend bin ich lange beim Ahu Tahai gesessen (besser gesagt ich sitze noch) und versuche niederzuschreiben was ich in den letzten Tagen erlebt habe. Es ist ruhig hier, ausser den Wellen die auf die Küste schlagen hört man nur einen Hahn in der Ferne krähen und ein paar Hunde die vermutlich ihr Revier verteidigen. Vor ein paar Minuten scheinte es so als würde der grosse blaue Fleck am Himel in meine Richtung kommen um ein paar wärmende Sonnenstrahlen durchzulassen, doch der Wind hat wohl andere Pläne.
Hier habe ich auch jemanden von der Freitags-Tour getroffen. Sie hat mir erzählt dass heute ein Feiertag ist und deshalb am morgen die Boote raus sind. Im Dorf gibt es Musik und freies Essen.
Rund um Hanga Roa (eigentlich auf der ganzen Insel) gibt es sehr viele Grünflächen. Nur Hanga Roa selbst ist wirklich bewohnt, ansonsten trifft man nur vereinzelt auf menschliche Behausungen. Was man aber wirklich auf der ganzen Insel sieht sind Pferde. Den 6000 Einwohnern der Insel stehen ca 8000 Pferde gegenüber, 70% davon wild lebend. Ich denke es sind auch genauso viele Hunde, die sieht man auch wirklich in jeder Ecke der Insel.
Montag, 30. Juni
Ich hatte eine unruhige Nacht. Durch rastloses Hundegebell bin ich um ca. 2 Uhr aufgewacht. Bisher hatte ich das noch nie so gehört und mit der Kombination Halbschlaf ist mir als erstes "Tsunami" in den Kopf geschossen (Tier können das ja schon vorher spüren). In Panik habe ich überlegt, ob es überhaupt Sinn macht mich anzuziehen und zu rennen. Auf den nächsten Vulkan hätte ich es sowieso nicht geschafft. Vermutlich nicht mal bis zum Dorfkern. Und dann hab ich mir gedacht was soll ich mitnehmen? Das IPad mit den Fotos? Aber was bringt mir das, wenn die Insel überschwemmt wird ist auch der Flughafen weg der mich dort hinbringt wo ich die Fotos zeigen will. Also lieber nichts machen - und weiterschlafen.
Der Tag bricht an und ich wache auf, lebend und trocken. Es ist der letzte Tag auf der Osterinsel, heute Mittag geht es bereits wieder nach Santiago und morgen zurück nachhause.