Und täglich grüsst der innere Schweinehund - eine Zwischenbilanz

Die Geschichte mit den guten Vorsätzen ist ja so eine Sache. Viele sind mit ihnen ins neue Jahr gestartet. Man hält sie für eine hervorragende Idee, in dem Moment, in dem sie gefasst werden. Sie scheinen einfach, so erreichbar, einfach nur erfolgversprechend. Raucherlunge und Schwabbelbauch adé. Schnell, günstig, mit wenig Aufwand – so macht es uns auch die Werbung weiss. Sollte also kein Problem sein.

 

Nun, Ende Januar, ist Zeit für eine Zwischenbilanz. Bereits wenige Wochen nach Neujahr ist das Fazit ernüchternd. „Na gut, ich muss mir eingestehen, war doch nicht so einfach“, hört man es aus vielen resignierten Mündern. Zu gross sind die Verlockungen im täglichen Leben, der innere Schweinehund zu laut. „Iss mich, nur ein kleiner Bissen“ – ah, der Kuchen von meiner lieben Freundin, ein Gedicht auf der Zunge und so wohltuend auf der Seele. „Leg nur schnell die Beine hoch“ – warum muss das Knautsch-Sofa auch so gemütlich sein?

 

Beim Durchblättern der Kleinanzeigen bekommt die Entwicklung Bild und Text:

             

„Sportkleider, sehr gute Qualität / günstig abzugeben“ oder

 

„Gratis: Kraft-Turm, Muscle Gym – neuwertig. Muss abgeholt werden.“ – aha, sogar zu  schwach zum Bringen. Vermutlich hat er ihn mit der letzten seiner Kräfte in der Zeitung ausgeschrieben.

 

„Raucherentwöhnung – Rest-Artikel an Nikotin-Spray und Nikotin-Lutschtabletten.

Schachteln/Behälter zu ca. 75% voll/ungebraucht. Bild auf Wunsch vorhanden“ – Ein Bild? Von was? Seiner Raucherlunge? Bäh.

 

Oder mein Favorit: „Bauchmuskel-Gürtel (elektrische Bauchmuskelstimulation). Der Gürtel ist ungebraucht und in Originalverpackung.“ – sowas, nicht mal die Mühe gemacht das Ding auszupacken.

 

Gute Vorsätze sind nichts für Jeden. Und auch wenn man es schon zum x-ten Mal versucht hat, vielleicht sogar mit denselben Vorsätzen und denselben Voraussetzungen. Die „beim nächsten Mal wird alles anders“-Mentalität versucht sich selbst zu überlisten. Aber, das wird nix. Der Sportmuffel wird nicht wegen der Änderung der Jahreszahl ein sportlicher Athlet. Der Kettenraucher, kein naturliebender Veganer. Eine Saftkur ist nicht für jeden ein leckerer Ersatz von Knödel und deftiger Wurst und das Detox-Intervall-Grünkohl-Fasten lässt auch kein Schlemmerherz höher schlagen.

 

Doch es gibt sie. Die Exoten, die sich nicht nur vorgenommen haben, „etwas mehr“ (Sport, netter, flexibler) oder „etwas weniger“ (Rauchen, Fluchen, Rumlümmeln) zu machen. Hierzu zähle ich auch meine Schwester. Die hat sich doch tatsächlich in ein schweisstreibendes Boot-Camp eingeschrieben. Seit drei Wochen kämpft sie dort 5 Mal die Woche jeden Morgen eine Stunde gegen Röllchen und Pölsterchen an. Wie es ihr dabei geht? Lest selbst: www.soulstories.ch/fit-and-fun

 

Ja klar, ich wäre auch gerne fitter und möchte nicht jedes Mal, wenn ich meine Jeans anziehe, Angst haben das der abspringende Knopf jemand verletzt, der mich dann wegen Körperverletzung verklagt. Aber muss die Änderung in meinem Leben gleich so krass sein? Muss ich gleich von null auf hundert, ohne Rücksicht auf Verluste. Und mit Verlust, meine ich mein persönliches Rückstecken von Dingen, die mir nun mal gut tun: Hin und wieder mit Essen und Alkohol über die Stränge schlagen, einen Tag ohne schlechtem Gewissen auf dem Sofa Lieblingsserien gucken, bei schönem Wetter ein Mittagsschläfchen machen, fluchen, lästern, das Geschirr stehen lassen. Leute, nehmt doch öfters die Treppe anstelle des Lifts, steigt eine Busstation früher aus, und lasst euch hin und wieder treiben. Man sollte sich öfters mal was rausnehmen, das Leben ist kurz. Werdet euch bewusst, dass Photoshop, gopfverdaminomol, eine Realität ist, bei 95% der Bilder angewendet wird und auch Starts Cellulite und Pickel haben.

 

Und sind wir doch ehrlich, es ist wie bei vielen Verlockungen im Leben, die Menge macht’s. Geniesst ein Glas Wein mit Freunden, lasst für einen Moment die Pflichten Pflichten sein. Seid locker, sprecht wieder mehr miteinander, geht spazieren, tanzt, lacht und lebt. Und das Laster? Es ist, wie es ist. Denk positiv und sei glücklich – das macht wahre Schönheit aus. Es geht darum sich wohl zu fühlen. Und manchmal sind andere Dinge eben wichtiger.