Wir haben wenig Scheu in fremden Ländern in denen wir Ferien machen, reisen und uns weiterbilden mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Viele suchen es sogar explizit und geben "neue Kulturen kennenlernen" als einen wichtigen Reisegrund an. Warum aber bleibt uns fast die Luft weg, wenn sich im Zug jemand gegenüber von uns setzt, mit einer Hautfarbe, die eindeutig nicht von einem Urschweizer stammen kann?
Voller Faszination sieht man die Person zwar an, unauffällig, aus dem Augenwinkel oder hinter dunkler Sonnenbrille, denn starren will man ja nicht. Wir sind fasziniert von seinem Aussehen, von der Kleidung und der Gestik, aber um ein Gespräch zu beginnen fehlt aber der Mut. „Was ist wenn er mich nicht versteht? Wenn er sich angegriffen fühlt? Wäre peinlich, oder?“ Wir studieren die fremde Person - Woher mag er wohl kommen? Ist er aus seinem Land geflüchtet, wegen Krieg und Verfolgung? Welche tragische Geschichte hat er hinter sich? Wir malen uns Geschichten hinter der Person aus, geben den Gedanken Leben. Vielleicht sollte ich doch was Nettes sagen, ihn in unserem Land willkommen heissen. Jedoch für mehr als ein paar verstohlene Lächler, wenn sich zufällig unsere Blicke kreuzen, reicht es nicht. So sitzt man sich minuten- oder gar stundenlang gegenüber, bringt jedoch kein Wort heraus. Bis er aufsteht, um auszusteigen, und im breitesten Schwizerdütsch "Ich wünschä üch en schönä Tag" zu uns sagt. Peinlich, oder?
@2018 Sonja Schöberl