Ich sehe schwarz! Und das liegt nicht nur am Klimawandel, an der Trump-Regierung oder der immer grösseren werdenden Ungerechtigkeit zwischen Arm und Reich. Es ist wieder mal eine Welle, die uns aus dem „alles-ist-möglich-alles-ist-grösser“-Amerika erreicht hat – der Black Friday. Seit mindestens zwei Jahren hält er auch bei uns jeden vierten Freitag im November Einzug in die Läden. Die ersten Male eher verhalten, aber jedes Jahr kommt nochmal ein Superlativ dazu – grösser, billiger, mehr,.. Bei mir kommt auch das mehr hoch - „Ich kann’s nicht mehr sehen“. Ist es denn wirklich notwendig einen solchen Tag auch bei uns einzuführen? Haben wir nicht schon von allem genug? Mittlerweile ist es ja nicht mehr nur der eine Tag, den die Kaufsucht betrifft, der Wahnsinn streckt sich über ein ganzes Wochenende, in teils Geschäften sogar über eine Woche.
Bekannt geworden als informeller Name für den Freitag, der dem Thanksgiving Donnerstag folgt, ist der Black Friday seit den 50ern des letzten Jahrhunderts der Beginn der Zeit des Amerikanischen Weihnachtsshopping und bekannt als der Tag, an dem die Geschäfte schwarze Zahlen schreiben. So schön so gut, ich mag's ihnen ja gönnen, aber muss das sein? Und muss es bei uns sein? Angelockt von super Deals, lassen sich die Menschen wie Zombies von den Angeboten verlocken und kaufen Zeugs, das sie sonst nicht gebraucht hätten. Ein bisschen wie Bauernfängerei, ein Vorgaukeln von tollen Gelegenheiten mit Preisen die vor der fantastischen Reduktion genauso ausgesehen haben, nur ohne rotem Preisschild.
Ich war am (black) Samstag in der Stadt, mehr weil ich musste als wollte, und was sich da abgespielt hat – jenseits von Gut und Böse. Umrahmt und beleuchtet von penetranten Schildern, die mit Ausblick auf Super-Sales, Ausverkauf und zwei-zum-Preis-von-einem-Angeboten locken, schieben sich Massen an Menschen durch die Einkaufsgassen, alle mit dem Blick von „Kaufen, kaufen, kaufen“ in den Augen. Es ist fast ein bisschen gespenstisch und abschreckend. Grosses Gedränge vor noch geschlossenen Türen oder tumultartige Szenen, wenn die Schiebetüren von Geschäften endlich den Weg frei geben, so wie wir es nur aus den Horrorszenen aus den amerikanischen Nachrichten kennen, bleiben uns, bis jetzt, zum Glück erspart. Nichtsdestotrotz sieht es jedoch so aus als hätte sich dieser Konsum-Event auch bei uns eingebürgert und wird uns in den nächsten Jahren nicht erspart bleiben.
Ich stehe etwas abseits und sehe mir die hunderten, wenn nicht tausende Menschen an, die auf der Jagd nach Schnäppchen durch die Stadt hetzen. Und wieder stellt sich mir die Frage „Brauchen die den Kram in den dicken Einkaufssäcken wirklich?“ Und diese Frage stellt sich offensichtlich nicht nur mir, denn zwischen dem ganzen Gewusel der Stadt haben es sich mehrere ambitionierte Aktivisten zur Aufgabe gemacht mit Slogans auf dem Boden, an den Verstand der Einkaufswütigen zu appellieren. „Brauchst du was wirklich?“, „Wie viel Konsum verträgt es noch“ und „#kaufnixtag“ kann man in bunter Kreide-Schrift auf grauem Grund lesen. Der Kauf-nix-Tag, den gibt es mittlerweile tatsächlich. Geboren aus der Konsumsucht, ist es ein Aktionstag am letzten Freitag in Amerika, bzw. Samstag in Europa und wurde bereits in über 60 Länder organisiert. Nun findet er scheinbar auch bei uns seinen Sinn. Immerhin, es bleiben einige Leute stehen und sehen sich die Kreide-Kunst an, schmunzeln und verschwinden im nächsten Laden, der schreiend mit einem Wow-Deal winkt. Und ich? Auch ich verschwinde, im Auto mit quietschenden Reifen, raus aus dem Super-Sales-Aktions-Wahnsinn - weil I brauch nix und I kauf nix!
@2018 Sonja Schöberl