Das mit dem älter werden ist ja so eine Sache: eine Zeit lang wünscht man sich nichts sehnlicher als endlich
alt genug zu sein – für Alkohol, Autofahren, oder einfach um selbst im Leben bestimmen zu können. Und kaum ist es so weit und die Jährchen ziehen ins Land, versucht man alles Mögliche, um die
Jahre wieder zurückzudrehen und dem Verfall gegenzusteuern.
Jetzt wo der Frühling vor der Türe steht, scheint es wieder höchstes Ziel den Körper in Form zu
bringen. Fitnesswütige in den Studios, auf Rennrädern und den Jogging-Strecken. Der Speck-Roulade geht’s an den Kragen und die Bikini-Figur steht im Mittelpunkt. Das mit der gestählten und
definierten Form, gestaltet sich bei mir absolut schwierig. Ich bin einfach zu inkonsequent, wenn es um leckeres Essen und gesellige Aperos geht. Das bisschen Sport, das ich mache, reicht gerade
dazu, dass Bauch-Beine-Po die Hose nicht sprengen, aber mehr lässt mein Schweinehund nicht zu.
Nächste Baustelle: wohin mit den Runzeln, die wir in den Wintermonaten unter dicken Schals, Pullovern und Mützen so erfolgreich versteckt haben? Wegtrainieren ist keine erfolgreiche Option.
Botox, Hyaluron und Schönheits-OP tunken mich reichlich übertrieben. Ich werde es mit der Soft-Version versuchen. Als erstes einen Frisör-Besuch, um die trockenen borstigen Franseln auf den Kopf
wieder zu stylen und dann wage ich mich an ein Home-Wellness-Programm: Gesichtsreinigung, Peeling, Gesichtsmaske. Yes, das klingt nach einem Plan - die Umsetzung folgt auf dem Fusse.
Herrlich, 2 Stunden nur für mich im Haarstudio: neue Farbe, Waschen-Schneiden-Fönen und eine wundervolle Kopfmassage. Die Massage war toll und ich habe mich in den 30 Sekunden wirklich entspannt. Das dies wohl die Vorbereitung gegen den Kopfschmerz sein soll, der mich durchfährt, wenn ich die 250 Franken-Rechnung präsentiert bekomme, wird mir erst bei der Abrechnung bewusst. Auweia! Erleichtert fühlt sich nur mein Geldbörsel. Und dass ich jetzt merklich frühlingshafter, jünger oder anders aussehe, kann ich auch nicht wirklich behaupten. Aber ich muss es mir ja einreden, ansonsten kann ich später meinem Freund nicht glaubhaft einreden, dass ich ja total anders aussehe, um ihm ein anerkennendes „Ja, wow, du siehst so toll aus!“ zu entlocken. Wenigstens hier ein Verjüngungs-Effekt spürbar.
Wieder zuhause, mache ich mich an die Gesichts-Renovation. Da muss doch was machbar sein. Die
Gesichtsreinigung war einigermassen ok. Meine Augen brennen zwar nach dem Abwaschen, aber spätestens nach dem Menthol-Peeling (natürlich ohne Mikro-Plastik), bin mir sicher, dass es dem
Poren-Dreck nun an den Kragen geht. Die Gesichtsmaske soll anschliessend den entsprechend Reinigungseffekt bringen. Damit den verhassten „Black-Heads“ der Garaus gemacht wird, entscheide ich mich
für eine Peel-off-Maske, die man nach kurzer Einwirkungszeit einfach abziehen kann. Super Prinzip – feucht auftragen, relaxen und nach wenigen Minuten als Ganzes wieder abziehen und die Mitesser
kleben an der Maske und nicht mehr in den Poren. Soll entspannen und verfeinern. Ich bin überzeugt und trage auf. Nach kurzer Relax-Zeit, kann ich mein Gesicht nicht mehr bewegen, es spannt und
ich bin sicher, das muss lange genug sein. Ganz ehrlich? So eine Maske mag für junge Haut ja ganz effektiv sein und die Mitesser lassen sich bei Mittzwanzigern so eliminieren. Bei der
reiferen Haut (ja, die habe ich mit knapp 40 nun mal), ist es eine Qual. Statt den kleinen schwarzen Schmarotzern kleben meine Gesichtshaare in der Maske. Wohltat? Weit entfernt. Es pickt und
ziept und nur mit Waschen bekomme ich die letzten klebrigen Reste aus dem Gesicht. Nein, das war nicht entspannend. Und statt der jungen frischen Haut, habe ich nur rote Flecken bekommen. Gar
nicht das Ergebnis, das ich erwartet hatte.
Damit sich die gerötete Haut etwas beruhigt versuche ich es noch mit einer Tuch-Maske. Straffend, beruhigend und Feuchtigkeit spendend verspricht die äusserst motivierte Dame auf der Verpackung. Ich hole die triefend nasse Maske aus der Tüte und kämpfe als erstes mit der gerechten Verteilung auf dem Gesicht – die Aussparungen der Augen passen nicht zu der, wo die Nase oder der Mund hin soll. Zudem hat es überall Einschnitte und Laschen, die sich nicht ankleben lassen. Die Grinsekatze auf der Verpackung und das Original, also ich, sehen um Galaxien unterschiedlich aus. Egal, ich lasse mich nicht unterkriegen – einigermassen bringe ich sie auf mein Gesicht. Mein Blickfeld ist zwar etwas eingeschränkt, aber ich muss ja auch keine schweren Maschinen bedienen. Ich husche aufs Sofa und lege mich in Relax-Position. Die Schönheit kann anfangen wirken. Ein paar Sekunden fühlt es sich wirklich gut an. Ich meine zu merken, wie meine Haut die Feuchtigkeit aufsaugt und sich über die „Hydra Heaven“ Behandlung bedankt. Aber was ist das? Ich merke plötzlich wie ein Tropfen über mein Kinn, langsam den Hals runter läuft. Oh mein Gott, die Maske ist zu feucht. Überall beginnen nun unhimmlische Tropfen unaufhaltsam in mein Dekolleté zu tropfen. Und das soll entspannend sein? Echt jetzt? Wisst ihr was, ich gebe auf! Die Maske landet tropfnass im Müll. Home-Wellness ist nichts für mich.
Etwas gefrustet, über meine gescheiterte Verjüngungs-Kur, mache ich mir einen Aperol-Spritz und lege mich mit Knabberzeug auf den Liegestuhl auf den Balkon. Und während ich so, plötzlich total relaxed, den balzenden Vögeln, dem Nachbar beim Rasenmähen und dem Hupen des Dampfschiffes zuhöre, denke ich mir nur „mit 20 war auch nicht alles besser“ und „Gilt mein Körper nicht automatisch als Beach-Body, wenn ich einen Body habe und an den Strand gehe?“
@2019 Sonja Schöberl